3. Juni 2022
Sco2022 - Tag 1 - Langsam angehen (verschieben wir auf später)
27,8km - 2030HM - 8h40m
Im Juni wird es zeitiger hell als Ende April und wenn dann noch die Sonne scheint, dann fühlt es sich um 6 Uhr im Zelt fast schon so an, als wäre es spät am Vormittag. Und so war es wenig verwunderlich, dass wir bereits kurz nach 7 munter waren und in den Tag starteten. Natürlich nicht überhastet. Zuerst gab es Frühstück mit lapprigem Toastbrot, etwas Schinken mit Honig, dazu Porridge und Kaffee. Genug Kalorien für die ersten 5km. Danach leerten wir unsere Rucksäcke und ließen alles in den Zelten, was wir nicht für den Tag brauchten. Mit riesigen Rucksäcken, welche jedoch annähernd leer waren, starteten wir kurz nach 9 erst nach Süden zurück zum Fahrweg und danach in Richtung Westen ins Glen Kinglass.
Nach Westen zum Glen Kinglass und zu den Munros
Entlang des Wegs war das Laufen einfach und es ging schnell voran. Auch war das Wetter bestens. Sonne, dazu milde Temperaturen und eine leichte Brise. Am River Kinglass angekommen, folgten wir diesem nun flussaufwärts und mussten dafür unseren Fahrweg verlassen. Der Bach (Fluss kann das Wasser hier noch nicht nennen) plätscherte klar über breite Felsstufen, welche sich immer wieder dazu anboten, etwas schneller voranzukommen als beim Stapfen durch das Heidekraut. Einen sichtbaren Pfad gab es hier nicht. Plötzlich standen wir vorm Zaun einer Schonung, welcher über eine Leiter überwunden werden musste. Der Unterschied der Vegetation zwischen innerhalb und außerhalb der Schonung war dann doch recht markant. Innen wuchsen Kräuter, Sträucher und auch junge Büsche höher, dichter und mit mehr Blüten als außerhalb und vor allem gab es innen eine Menge junger Bäume (Birken und Nadelbäume) die draussen völlig fehlten. Leider wurde das Laufen somit etwas schwieriger und wir waren froh, als wir nach ein paar hundert Metern die Schonung wieder verlassen konnten.
Frisch sprudelt der River Kinglass
Die Schonung zieht sich den halben Hang hoch und ist komplett eingezäunt.
Das Glen Kinglass zog sich in NW Richtung noch knapp 3km dahin und wir folgten dem Bach bis wir ca. 1km vor Talende, wo wir nach Süden drehten und den Hang zum Bheinn nan Aighenan hinauf ächzten. 400m Höhenmeter später hatten wir ein Sattel erreicht, jedoch noch nicht den Gipfel. Dieser war nochmals rund 300 HM entfernt, allerdings war die Steigung nicht mehr so extrem und die Vegetation niedriger als im tiefen Heidekraut der niederen Lagen, so dass es sich bequemer lief.
Vllt an dieser Stelle ein kurzer Diskurs zu unserer Wegfindung: Wir sind eigentlich Munro-Bagger, d.h. unser Ziel ist es, die Berge zu besteigen. Dazu suchen wir uns meist eine Rundroute von unserem Camp, welche uns über die Gipfel der Umgebung führt. Den Hinweg zum ersten bzw. der Rückweg vom letzten Gipfel erfolgt dabei aus einem wilden Mix von Pfaden, Bachläufen bzw. querfeldein. Dabei haben wir über die Jahre gelernt, dass es in Schottland am wichtigsten ist, den Abstand der Höhenlinien in der Karte im Auge zu behalten, denn nur zu steile Hänge stellen ein echtes Hindernis dar. Ok, ich gebe zu, auch Flüsse, Seen, umzäunte Gebiete, Anwesen etc. sind Hindernisse, aber die Vegetation ist es normalerweise nicht. Insofern kann man recht gut querfeldein gehen und muss sich nicht zwingend an die Pfade halten. Die dünneren Pfade in den OS Karten sind oftmals etwas unzuverlässig. Sie sind zwar da, aber dann evtl. vor langer Zeit letztmalig genutzt und inzwischen zugewachsen, morastig, nass und damit anstrengend zu laufen. Sie können zur Orientierung dienen, meist aber laufen wir nebenher.
Blick von Munro BnA zum Ben Starav (links oben)
Etwas später standen wir dann auch auf dem ersten Munro dieser Tour, der einen ebenso unaussprechlichen wie sperrigen Namen trägt: Bheinn nan Aighenan (kurz BnA). Es war inzwischen ca. viertel eins (bzw. viertel nach zwölf) und der doch recht lange Weg bis hierher hatte durchaus seine Zeit in Anspruch genommen. So stärkten wir uns mit Müsliriegel und einem ordentlichen Schluck Whisky und zogen alsbald weiter zum nächsten Munro, Ben Starav.
Dieser lag noch weiter westlich, d.h. noch weiter von den Zelten entfernt und war vom ersten Munro durch einen tiefen Sattel bzw. Bealach (wie der Schotte sagt) getrennt. Wir stiegen also rund 250HM ab, um am gegenüberliegenden Hang ca. 350 HM nach oben zu steigen. Ben Starav ist so etwas wie der kleine König unten den Munros am Loch Etive, da er über den tief unten liegenden See thront und Aussichten in alle Richtungen bietet. Nach dem anstrengenden Aufstieg folgten wir dem Kamm und erreichten bald einen Vorgipfel, der von unterhalb so aussah wie der echte Gipfel, aber wie so oft erreichten wir dieses vermeintliche Ziel um dann erkennen zu müssen, dass es nochmal ein paar hundert Meter weiter geht.
Dass wir oben angekommen waren, war auch jedoch bald daran zu erkennen, dass hier deutlich mehr Andrang war, als auf dem Munro zuvor. Zu keinem Zeitpunkt waren wir allein, immer waren mindest 2 weitere Gruppen oder Einzelpersonen in Sicht- oder Hörweite. Der Standardaufstieg zum Ben war auch recht einfach und kurz von der Straße im Glen Etive aus zu absolvieren, so dass hier etliche Tageswanderer unterwegs waren.
Loch Etive vom Gipfel des Ben Starav
Wanderhighway ins Glen Etive
Wir waren trotzdem von der tollen Aussicht überwältigt und ließen kurz die Drohne kreisen, bevor wir den Rückweg antraten. Ben Starav war der Punkt der heutigen Tour, der am weitesten vom Camp entfernt lag und von nun führte uns jeder Schritt zurück. Dabei folgten wir der Ridge (und den Tageswanderern) zum Glas Bheinn Mhor wo wir tatsächlich das erste (und auf der Tour einzige) Mal die Regenjacken auspacken mussten, denn obwohl zuvor ein paar Schauer trocken an uns vorübergezogen waren, traf uns dieser genau und brachte ein willkommene Abkühlung.
Ein größerer Schauer zieht durch
Der weitere Weg war wenig spektakulär, von den Aussichten mal abgesehen. Wir trotteten vor uns hin, folgten dem auf und ab der Ridge und hingen jeder seinen eigenen Gedanken nach. Vom Glas Bheinn ging es wieder tief hinab auf 740m und ggü. steil hinauf bis zum Gipfel des Stob Coir an Albannaich-kurz SCaA. Unsere 4er Gruppe zog sich auf den Anstiegen meist etwas auseinander. Die Fitteren zogen vorn weg, ich schnaufte hinterher, konnte aber nie ganz mithalten und hatte am Gipfel angekommen meist ein paar Minuten Rückstand. SCaA war für heute eigentlich nicht der letzte Gipfel. Auf fast direktem Wege zum Zelt lag noch ein weiterer Munro, der Meall nan Eun. Vom Gipfel des SCaA allerdings konnten (und vllt auch wollten) wir aber keinen Weg zum östlichen Nachbargipfel erkennen. Die nordöstlichen Flanken des SCaA waren alle recht steil und um auf dem Meall zu kommen, hätten wir wahrscheinlich einen Umweg in Kauf nehmen müssen. Inzwischen war es jedoch bereits halb sechs und eigentlich war jeder von uns recht erschöpft. Umwege wollte keiner mehr gehen.
Auf dem Gipfel des Stob Coir an Albannaich
Ein Blick zurück - Die Spitze in der Mitte leicht rechts ist der Ben Starav
Zwischenzeitlich waren die Wolken wieder verschwunden und hier oben auf 1044m Höhe saßen wir nun, genossen den Whisky und die Ruhe. Ein Ruhe, die ich mit dem schrillen Surren meiner Drohne jäh zerstörte. Aber was tut man nicht alles für ein paar schöne Aufnahmen. Glücklicherweise war niemand anderes da. Danach packten wir zusammen und stiegen den südöstlichen Ausläufer des SCaA hinab in Richtung Camp.
Wir suchten trotzdem noch nach einem Weg nach Osten Richtung Meall nan Eun, hatten aber keinen wirklichen Erfolg und fanden keinen gut sichtbaren Trampelpfad. Natürlich hätten wir wieder querfeldein gehen können, aber hier oben waren die Höhenlinien eng und der Hang steil, so dass wir nicht die Bergziege machen wollten und letztendlich den Meall auf morgen vertagten. In gewisser Weise war es trotzdem nicht besonders schlau, den Meall nun auszulassen, aber dazu später mehr.
Das erste frische Wasser seit dem Anstieg zum Ben Starav
Angenehmes Licht am Abend
Blümchen
Auf den letzten Kilometer zum Zelt füllten wir unsere Flaschen auf und tranken, denn seit dem Aufstieg auf den ersten Munro hatten wir keine Wasserquelle gefunden. Es ist eben ein Nachteil, wenn man dem Gipfelgrat folgt, denn oben gibts keine Bäche und Schmelzwasser auch nicht. Gegen viertel acht waren wir wieder zurück an den Zelten und hatten damit noch ein zwei Stunden Tageslicht. Mit gefundenem Holz entfachen wir ein kleines Feuer und kochten Nudeln und Tee (auf dem Gaskocher). Erschöpft vom langen Tag lagen wir trotzdem alsbald im Schlafsack. Ein anderer Grund dafür war klein, schwarz und sehr nervig, denn im Vergleich zum Vorabend war es windstill und somit gab es noch mehr Midges.
Feuer vertreibt Midges nachweislich kaum
Der letzte macht das Licht aus
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